Silbernetz Feiertagstelefon 2017: Auswertungen
Mit extrem kurzem Vorlauf von sechs Wochen zwischen Beschluss und Durchführung des Testlaufs schaltete Silbernetz in der Zeit vom 24.12.2017, 12:00 Uhr mittags, bis zum 01.01.2018, 12:00 Uhr mittags erstmals die Nummer des Hilfetelefon 0 800 4 70 80 90 für ältere vereinsamt oder isoliert lebende Anrufende aus Berlin.
Bekannt gemacht wurde die Freischaltung in Berlin durch intensive Pressearbeit von Silbernetz. Dazu gehörte der öffentliche Kampagnenstart der GEiA! - Kampagne im Artenschutztheater Berlin Moabit am 28. November 2017 im Beisein von Medien wie dpa, rbb und Berliner Woche. Der Presse wurde ein Videotrailer zur Verfügung gestellt, der auf das Problem der Einsamkeit im Alter hinweist und das Feiertagstelefon ankündigt. TV, Rundfunk und weitere Printmedien griffen das Thema bereitwillig auf. Der Clip lief in mehreren Sendungen, zu deren Zielgruppe auch ältere Menschen zählen, und auf den Schirmen des Berliner Fensters der U-Bahn.
Weitere Möglichkeiten der Verbreitung wie etwa die Information über die Pflegedienste und weitere Senioreneinrichtungen kamen auf Grund der Kürze der Zeit nicht in Frage. Zudem erreichen solche Optionen die vereinsamt und isoliert lebenden Menschen oft nicht, denn die Langzeit-Vereinsamten finden den Weg in die Einrichtungen nicht von sich aus.
Erläuterungen zur Erfassung der Anrufzahlen
In den acht Tagen, die das Hilfetelefon geschaltet war, zählte unsere Callcenter-Software 281 Anrufe. Davon kamen 201 durch. 85 von ihnen legten nach Anrufannahme auf, ohne ein Gespräch zu beginnen.
Die Anrufstatistik, die uns zuerst, nämlich unmittelbar beim Abschluss des Testlaufs von Providerseite vorlag, ergab hingegen eine Anrufzahl von 360, mit 240 durchgestellten Gesprächen.
Die Ursache für die Abweichung ist in einer hohen Zahl von Auflegern begründet, die der Provider nachfolgend übermittelte. Das sind Anrufe, die von Anrufenden beendet wurden, bevor ein_e Telefonist_in den Hörer abnehmen konnte.
Die nachfolgende Statistik wurde erstellt auf der Basis der Anrufzahlen unserer Callcenter-Software und der von Silbernetz entworfenen, allgemein gehaltenen Fragebögen, die die Telefonist_innen währned jedes Gesprächs ausfüllten. Die Statistikbögen halten die Standards zum Datenschutz ein. Persönliche Daten werden nicht erfasst. Auskünfte und Erzählungen der Anrufenden sind absolut vertraulich.
Ursprünglich war die Freischaltung nur für Anrufende aus dem Berliner Ortsnetz vorgesehen. Drei Tage nach dem Start entschieden wir jedoch, auch Mobiltelefone durchzuschalten. Anrufe aus Ortsnetzen im Bundesgebiet konnten nicht angenommen werden.
1. Überblick
Zwei Drittel aller Anrufe kamen von Mobiltelefonen, ca. 39 Prozent der Anrufe aus dem Berliner Ortsnetz und 29 Prozent aus dem Bundesgebiet. Während letztere nicht entgegengenommen werden konnten, entschieden wir jedoch drei Tage nach dem Start, auch Mobiltelefone durchzuschalten.
2. Telefondienst
16 Telefonist_innen leisteten insgesamt 71 Vierstundenschichten. Geplant waren ursprünglich 48 Schichten à zwei Telefonist_innen, das entspricht insgesamt 96 Schichten. Nicht alle Zeitintervalle konnten jedoch doppelt besetzt werden, deshalb gab es einige Schichten, während derer nur eine Person Dienst hatte.
3. Anrufverteilung über 8 Tage
Die Zahl der Anrufe / geführten Gespräche erreichte am 27. Dezember den Höhepunkt und ging in den folgenden Tagen zurück.
4. Alter
Bis auf wenige Ausnahmen waren die Anrufenden über 60 Jahre alt. Nach dem Alter wurde nicht gefragt. Manche Anrufenden nannten ihr Alter oder Geburtsahr von sich aus, ansonsten wurde die Altersgruppe geschätzt.
Silbernetz spricht die Zielgruppe 60+ gezielt an, da sich das Projekt explizit des Themas Alterseinsamkeit annimmt. Das heißt aber nicht, dass Silbernetz Anrufende unter 60 abweist. Deshalb sind auch sie in der Anrufstatistik erfasst.
5. Geschlecht
Knapp zwei Drittel der Anrufenden waren Frauen, ein Drittel Männer.
6. Lebenssituation
Die überwiegende Mehrheit (rd. 78 Prozent) der Anrufenden lebt allein, 17 Prozent in Gemeinschaften (z.B. Heim oder Seniorenwohnen), 8 Prozent leben mit Ehepartner_innen, 16 Prozent gaben an, verwitwet zu sein.
7. Gründe für den Anruf
Die überwiegende Mehrheit der Anrufenden (88 Prozent) war erleichtert, einfach mal mit jemandem am Telefon reden zu können, ohne dass dazu ein spezielles Problem oder eine Krise nötig wäre. So manche_r stellte bedauernd fest, dass man diese Möglichkeit gern immer hätte. Zugleich berichteten viele von gesundheitlichen Problemen, gefolgt von allgemeinen und materiellen Sorgen und/oder Ängsten (25 Prozent und 11 Prozent). Sechs Prozent gaben an, Suizidgedanken zu haben oder gehabt zu haben. Fünf Prozent berichteten von Gewalterfahrungen. Eine Person berichtete vom Selbstmord einer nahen Person.
8. Wünsche
Eine_n Silbernetzfreund_in wünschten sich 24 Prozent der Anrufenden; bei Silbernetz mitzuarbeiten und ggf. selbst regelmäßig vereinsamte Menschen anzurufen, die gleiche Zahl; Lob sprachen 65 Prozent aus; Kritik kam von 4 Prozent.
9. Anrufhäufigkeit
78 Prozent der Anrufe waren Erstanrufe; 24 Prozent kamen von Menschen, die zuvor angerufen hatten.
Schlussbemerkung
Die Anrufstatistik, basierend auf 96 geführten Gesprächen, kann nicht repräsentativ sein, aber als gelungener Anfang betrachtet werden.
Die Zahlen der Anrufe wie auch die der letztendlich geführten Gespräche entsprechen in etwa denen, die die britische Silver Line Helpline in der Anfangsphase ihres Pilotprojekts 2013 in Manchester beobachtete. Mit steigendem Bekanntheitsgrad schossen sie in Großbritannien schnell in die Höhe. Im ersten Jahr ihrer Ausweitung auf ganz Großbritannien erhielt die Silverline Help Line 300.000 Anrufe unter der Nummer 0800 4 70 80 90. Im Jahr 2017 waren es eine Million.
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